„Die Hoffnung stirbt zuletzt“ heißt es [1]. Doch Halt! Das ist noch zu früh. Gestern (23.04.2024) war ein Morgen „wie Gott ihn schuf“, blauer Himmel und güldene Sonne, geschaffen also für eine Wanderung, z.B. ins Holzwarche Tal. Ich kochte Tee und machte mich fertig und nicht viel später war ich auch schon auf dem Weg. Ich hatte mir den Parkplatz Miescheiderheide ausgesucht. Der liegt nun, trotzdem er Teil der Bundesstraße 265 ist, ziemlich in der Einöde an der belgisch-deutschen Grenze. Ich wandelte auf verbotenem Pfad durch den Wald, aber nein, ich ging so für mich hin. Die Sonne taute den Reif, Graupeln, Schnee oder auch Eis von Gras, Blaubeerbüschen und Bäumen.
Dann mußte ich einmal etwas schneller gehen, weil ich hinter mir in der Ferne Stimmen vernahm, aber dann war wieder nur Vogelgesang und der Wind in den Wipfeln zu hören. Ich kam hinunter ins Tal mit der glucksenden Holzwarche, aber über so ein Erlebnis hatte ich bereits berichtet [2]. Ich kam „Am dicken Baum“ vorbei, wo man ein Kreuz errichtet hat. Hätte ich gewußt, was der Tag so bringen würde, und wäre ich katholisch, dann hätte ich sicherlich der Mutter Gottes ein Gebet verehrt. Fröhlich ging es vorbei an einem WinzHaus, nämlich einer Hütte, die ich gerne fotografierte.
Ich kam erneut zum Parkplatz Miescheiderheide und wollte nach 9-10 km Wanderung rasten. Ich legte den Rucksack mit allen möglichen Schüsseln, Wertsachen, Kamera, Handy in Kofferraum und nahm nur die Thermoskanne mit dem Tee mit, schlug die Kofferraumtür zu und setzte mich an einen Tisch.
Da die Sonne angenehm schien, legte ich den Pullover ab und hatte nur noch eine dünne Jacke über dem T-Shirt. Ich genoß meinen Tee am Tisch [3] und bemerkte nach einer Weile, daß mein Auto aufblinkte. Ich wunderte mich, aber nicht lange, denn als ich die Thermoskanne in den Kofferraum legen wollte, stellte ich fest, daß ich mich ausgesperrt hatte.
Was tun? Ich mußte meinen Ersatzschlüssel holen. Ich hatte das Auto erst im Vorjahr gekauft. Die Auslieferung erfolgte ohne Ersatzschlüssel, denn der wurde noch gesucht, aber schließlich doch nicht gefunden. Ich hatte extra für so einen Fall einen Extraschlüssel anfertigen lassen. Darauf beruhte nun meine Hoffnung. Allerdings mußte ich aus der Einöde erst einmal nach Diefenbach kommen. Ich traf einen hilfreichen Kölner, der vor einigen Jahren nach Brandenburg in den Hohen Fläming gezogen war. Gerade kam er zurück von einem Europa-Urlaub mit dem Wohnmobil. Er hatte einen Termin mit einem Freund, aber auch Zeit genügend Zeit, mir die Fahrt anzubieten. Ich dachte, der beste Weg mit Wohnmobil ginge über Benenberg, denn ich war in der Früh über Sistig gefahren. Aber erst zu spät bemerkte ich die Benenberg-Schikane – jemand hatte die Ortsdurchfahrt gesperrt und die Umleitung ging über Unterschömbach, Oberschömbach und Hecken, also verlängerte sich die Strecke um etwa 7 km. Aber wir kamen in Diefenbach an.
Ich hatte natürlich auch keinen Hausschlüssel. Aber der Schlüssel vom Haus meines Bruder / meiner Schwägerin war bei befreundeten Nachbarn hinterlegt und die waren auch da. Ich holte den Schlüssel und nahm den eigenen Haustürschüssel aus dem Haus von Bruder und Schwägerin.
Nun begann die Suche nach dem Zweitschlüssel. Ich suchte im ganzen Haus und es erinnerte mich an die Suche nach dem Pass, denn einmal suchte die befreundete Nachbarin ihren Reisepass mit Visum für die VR China und fand ihn – sie hatte mit Hilfe die ganze Nacht gesucht – in einer CD-Hülle [4]. Das gab mir die Hoffnung, daß ich den Schlüssel finden könnte. Ich ich selbst konnte ebenfalls Such-Erfolge aufweisen [5]. Irgendwann erinnerte ich mich an die Geschichte vom Betrunkenen, dem ein Polizist geholfen hatte, wie sie von Paul Watzlawick erzählt worden ist [6]. Ich konnte den Schlüssenl einfach nicht finden. Nun ich dachte mehr noch an Thomas Alva Edison [7], denn ich hatte hunderte Stellen gefunden, an denen sich der Zweitschlüssel nicht befand. Wahrscheinlich hielt ich es einmal für eine gute Idee, den Schlüssel in Köln zu deponieren (wer weiß wo?).
Wie ging es weiter – keine Angst, hier entsteht nicht der Fortsetzungsroman für eine Zeitung. Ich rief den Autohändler an, aber der meinte, sie könnten nur die Scheibe einschlagen; allerdings machte er mich auf die ADAC-Pannenhilfe aufmerksam. Darauf war ich nicht gekommen. Das war doch wirklich eine Panne – mein Auto fuhr nicht mehr. Ich rief den ADAC an und Hoffnung keimte auf.
Ich mußte zurück zur Miescheiderheide und dahin wollte auch der brandenburger Kölner. Diesmal fuhren wir nicht über Benenberg („Gehen Sie nicht über Benenberg“ stand auf der Spielkarte). Wir nahmen den Weg über Sistig. Der Kölner erzählte vom festgefahrenen Auto am Strand, wie er versuchte, wieder und wieder mit den gleichen Mitteln, das Auto freizubekommen, bis er eine Pause machte und danach etwas Neues ausprobierte - Watzlawick läßt grüßen – und ich erzählte dann vom Iran [8].
Nach der Verabschiedung wartete ich voller Hoffnung auf den ADAC, vielleicht 1/2 Stunde. Dann kam ein junger Mann, der … ich beschreibe nicht genau wie … an den Griff im Inneren des Autos kam, aber die Tür ging nicht auf. Von außen mit einer Art von Ersatzschlüssel ging es ebenfalls nicht. Der Spezialist müsse kommen, aber der könne erst abends kommen. Ich sagte ihm, daß ich warten würde und dann war ich wieder allein [12].
Ich blieb nicht lange allein. Ein rotes Auto hielt, ließ den Motor laufen und blieb mitten auf der Fahrspur stehen. Ich ging weiter auf und ab. Da dämmerte es mir. Der Mann wartete darauf, daß ich losfuhr. Den Gefallen hätte ich ihm gerne getan. So aber mußte er unverrichteter Dinge abfahren. Aber damit habe ich bestimmt Belgien einen Gefallen getan.
Es wurde ein Zeit zwischen Hoffen und Bangen. Es wurde kühl und ich hatte nur die dünne Jacke. Drohende Wolken waren aufgefahren und ich hoffte, daß weder die Graupel- noch die Regen- oder die Schneeschauern, die der Wetterbericht in Aussicht gestellt hatte, kommen würden. In der Kälte (bekleidet wie ich war, darf man 5° C so nennen) ging ich auf und ab, vielleicht zwei Stunden lang, aber dann kam der Spezialist. Neue Hoffnung! Aber auch er scheiterte zunächst, denn hinten ließ sich kein Fenster öffnen. VW hätte mittlerweile eine besonders gute Diebstahlsicherung. Dann aber hatte er die zündende Idee, die Zündung zu betätigen und das klappte -: Sesam, öffne dich! Alle Türen ließen sich wieder öffnen. Ich las früher einmal „Alle Türen offen“ von Peter-Paul Zahl; so fühlte ich mich gerade [9].
Abends war ich wieder zurück. Ich brauchte nicht auf dem Parkplatz Miescheiderheide übernachten. Ich war sehr dankbar für die Hilfen, die ich bekommen hatte, von:
~ dem brandenburger Kölner
~ den befreundeten Nachbarn
~ dem Pannendienst des ADAC
Ich hatte die Hoffnung nie aufgegeben. Früher einmal hatte ich von Ernst Bloch „Das Prinzip Hoffnung“ [10] gelesen. Ich werde es sicherlich noch einmal lesen, aber soeben habe ich Lust bekommen, „Die Theologie der Hoffnung“ von Jürgen Moltmann [11] zu lesen, während der Wind über die Höhe der Miescheiderheide weht und Graupel-, Regen- oder Schneeschauern dorthin bringen mag.
Links und Anmerkungen:
[1] „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ ist 2002 für den NDR gedreht worden.
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Hoffnung_stirbt_zuletzt
[2] https://rheumatologe.blogspot.com/2022/04/die-narzissen-der-holzwarche.html
[3] Abwarten und Tee trinken wäre auch ein Titel gewesen.
[4] Reisepässe https://rheumatologe.blogspot.com/2021/10/wo-ist-nur-der-reisepass.html
[5] https://rheumatologe.blogspot.com/2018/02/der-reisepass-die-gluhbirne-und-der.html
[6] Unter einer Straßenlaterne sucht nachts ein Betrunkener seinen Schlüssel. Schließlich hilft ihm ein Polizist, den ihn nach einer Weile fragt, ob er sicher sei, den Schlüssel hier verloren zu haben. Der Betrunke: „Nein, nicht hier, dort hinten, aber da ist es zu finster.“ Vollständige Geschichte in: Paul Watzlawick: Anleitung zum Unglücklichsein. Bertelsmann, Gütersloh 1983. S. 27.
[7] Ein Mitarbeiter sprach nach dem 1.000sten mißglückten Versuch vom Scheitern. Edison erwiderte: “Ich bin nicht gescheitert. Ich kenne jetzt 1000 Wege, wie man keine Glühlampe baut.“ https://gesa-oldekamp.de/mut-gehoert-dazu/
[8] https://rheumatologe.blogspot.com/2024/03/iran-lost-in-desert.html
[9] Peter-Paul Zahl: Alle Türen offen. Gedichte. Rotbuch, Berlin 1977. Steht nicht bei den Gedichten, muß in Köln bei den Büchern über Politik stehen.
[10] Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1959. Ernst Bloch (1885-1977) war ein deutscher Philosoph. https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Bloch
[11] Jürgen Moltmann: Die Theologie der Hoffnung. Kaiser, München 1964. 7. Auflage 1968. Jürgen Moltmann (geb.1926) ist ein evangelischer deutscher Theologe [11a]. „Mensch“ von Jürgen Moltmann [11b] war Pflichtlektüre des berufsbegleitenden Studiengang „Theologia Curae“ an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Münster, den ich 2008 abgeschlossen hatte.
[11a] https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCrgen_Moltmann
[11b] Jürgen Moltmann: Mensch. Kreuz, Stuttgart 2005.
[12] Nachträgliche Assoziation: „Allein, Allein“ von Polarkreis 18 – https://www.youtube.com/watch?v=-SHwn6O25CY
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